Karol Woytila, der Reisepapst, hat sein Leiden gestern endlich hinter sich gelassen. Mich freut das sehr für diesen außergewöhnlichen Mann, der unbesteitbar wirklich
Großes geleistet hat und der wohl auch das Pontifikat an sich verändert hat, indem er wie kein anderer vor ihm
auf Augenhöhe mit den Menschen gesprochen hat.
Da sich in diesen Tagen alle damit überschlagen, diesen Mann zu beweihräuchern, möchte ich statt dessen mal darauf hinweisen, dass im vergangenen Vierteljahrhundert auch eine ganze Menge
liegen geblieben ist, worum Herr Woytila sich hätte kümmern sollen. Denn mit ihm ließ sich zwar auf Augenhöhe über manches reden, aber über vieles auch
gar nicht.
Johannes Paul I., sein direkter Vorgänger, hatte sich kurz nach seiner Wahl vorsichtig zu den Aufgaben geäußert, die er für die dringensten während seiner Amtszeit hielt. Es sei, so Johannes Paul I., genau zu prüfen, ob
Frauen nicht auch priesterliche
Verantwortung übertragen werden könne und ob das Zölibat in seiner bisherigen Form nicht einer
Überprüfung bedürfe.
Nun, drei Monate nach seiner Wahl und nur rund sechs Wochen nach diesen Worten war der Mann leider plötzlich verstorben und diese
Themen vom Tisch. Statt Frauen zum Priesteramt zuzulassen verordnete sein Nachfolger lieber denjenigen Priestern und Bischöfen, die sich mit solch ketzerischen Ideen abgaben, einen
Maulkorb oder warf sie gleich heraus.
Und so reihen sich neben der Mitarbeit beim Zusammenbruch des Ostblocks auch weniger nette Taten in die Liste der
Erfolge des Verblichenen ein:
Um in seinem eigenen Licht glänzen zu können, umgab er sich besonders bei der Berufung neuer Bischöfe lieber mit
Mittelmaß oder völligen Dumpfbacken. Und holte sich einen Chefideologen nach Rom, der geeignet erschien, die Verwässerung der reinen Lehre zu unterbinden: meinen betonköpfigen Freund
Kardinal Josef Ratzinger, Präfekt der Glaubenskongregation und erzkonservativer Chauvinist reinsten Wassers.
• Schwangerenberatung durch katholische Beratungsstellen? Da könnte man ja gleich selbst die Absaugglocke schwingen! Verboten!• Kirche von unten? Ketzer! Exkommunizieren! • Frauen im Priesteramt? Kommt nicht in die Tüte, die sollen lieber wie Mutter Theresa schuften, bis sie umfallen und ansonsten das Maul halten. Nachher haben die noch irgendwelche Ideen, nicht auszudenken!
• Das Zölibat abschaffen, das vor tausend Jahren eingeführt wurde, damit Bischöfe nicht mehr ganze Bistümer an ihre eigene Brut vererben können? Nix da, wozu hat man als Priester minderjährige Schutzbefohlene um sich, wenn das Fleisch dann doch mal schwach wird!
Demjenigen Nachfolger, der in diesem Dunstkreis den Laden wieder auf Vordermann bringen und den Weg für die
dringend nötigen Reformen ebnen möchte, wünsche ich schon heute viel Glück und vor allem ein
langes Leben.